Stadt Stampara – A gscheiter Job

Stadt Stampara – A gscheiter Job

Und? Geil wars scho, oda? Naa, s‘ war besser. Sagen alle. Alle die früher dabei waren. In den 70ern und 80ern in München als Szenegänger. Mit Promis in Schwabinger Diskotheken feiern. Ein ehemaliger König Ludwig Darsteller schmeisst dir seine Rolex in‘s Champagnerglas, Theo legt auf, Uschi tanzt. The Who übernachten erst in einer kleinen Wohnung in der Winzererstraße und kaufen dann gegenüber für‘s Frühstück beim Hofpfister Semmeln. Freddie feiert Geburtstag. Manche haben noch die VHS Kassette. Besser, denn keiner erinnert sich mehr so richtig an die Details. Die Schickeria ist in Hochform.

Das und noch so viel mehr soll alles in München geschehen sein? Kaum vorstellbar für uns. Die, die in dieser Zeit erst auf die Welt kamen. Sage ich so auch Reini. Als er mir Geschichten eines alten Münchens erzählt, spielen wir Golf. Im Keller. Direkt neben dem Gasteig. Einen Swimmingpool gibt es in den Katakomben auch. Wurde aber nie benutzt. Kartons stehen darin. Man hatte ihn beim Auszug erst entdeckt. Eines von vielen Erlebnissen, die ein „gscheiter Job“ nicht bietet. Willkommen in der Welt der Künstler und Kreativschaffenden.

Aber was ist denn bitte so ein „gscheiter Job“? Bänker? Etwas im Einzelhandel, Arzt oder Anwalt? Und ab wann ist ein Job nicht mehr gscheit, wo ist die Grenze? Kunst braucht ja nicht wirklich jemand. Ist nicht bodenständig, oft unanständig, unsicher, und das ständig. Die Arbeit muss ja keinen Spaß machen, hauptsache die Kohle kommt rein. Flins. 40 Jahre vergehen doch wie im Flug und dann zur Rente kann man‘s verdient krachen lassen. Das einzige was dann kracht sind die geschundenen Knochen. Durch die jahrelange gebückte Haltung in der Firmenhierarchie. Der trockene Mund und der fade Beigeschmack zeugen vom Speichellecken dem Chef gegenüber. Sonst verbaut man sich ja noch was. Aber was „gscheits“ ist es.

Einem Künstler vorzuwerfen, er sei selbst Schuld, weil er in Zeiten von Corona durch seine Berufswahl in finanzielle/existenzielle Probleme stürzt, kommt aktuell häufig vor. Doppelmoralisten. Solche Dinge sagen Menschen, die nicht nur über Montage fluchen, sondern in der Quarantäne nach dem Homeoffice Filme und Bücher konsumieren. Sich mit Gesellschaftsspielen die Zeit vertreiben, Podcasts und Musik hören. Ihr Leben mit emotionalem Inhalt füllen wollen. Die nach Bereicherung suchen und sie in der Kunst finden. Und zwar nur in der Kunst. Nicht in toten Formeln und Zahlen. Sie suchen alle. Ausnahmslos.

Deppen, denk ich mir. Und mit mir eine ganze Branche. Ich spaziere die Hohenzollernstraße entlang. Die leeren Geschäfte sind gespenstisch. Leise vernimmt man noch den schwachen Herzschlag dieses Viertels. Das dumpfe Pochen scheint beinahe zum Erliegen zu kommen. Kaum zu hören, aber doch wahrnehmbar ist der Nachhall der Bars, Restaurants und Kreativwerkstätten. An sich unnötig, nix gscheids. Aber was ist ein Körper ohne Seele. Eine herzlose Stadthülle. Davor müssen wir sie bewahren. München, die Weltstadt mit Herz.

Stadt Stampara – A gscheiter Job

Stadt Stampara – Münchner und Corona

Seit der Stampara 15 Jahre alt ist, zieht es ihn raus. Er liebt es, durch München zu strawenzeln. Bei jedem Wohnungswechsel, sieben sind es bis jetzt, entdeckt er die Stadt neu. Am liebsten abends. Im Sommer. Wenn das Nachtleben so langsam beginnt. Als Künstler war er schon immer Teil davon. Während andere ihren Feierabend starten, macht er sich auf den Weg zur „Arbeit“. Warum er „Arbeit“ in Anführungszeichen setzt? Weil es für ihn meistens keine wirkliche Arbeit ist. Sondern Spiel. Bezahltes Spiel. Aktuell ist Ostern. Seit einigen Wochen sieht die Welt jedoch im wahrsten Sinne des Wortes anders aus.

 

Frühling 2020. Die Natur wacht auf. Das Münchner Stadtleben schläft ein. Corona. Wie lange? Das weiss niemand. Auch nicht Drosten. Na gut, ein wirklich tiefer Schlaf ist es nicht. Eher ein Dösen. Der Englische Garten ist voller kleiner Grüppchen, die von der Polizei aufgebrochen werden. Werden sollen und auch müssen. Im Luitpoldpark, an der Isar, beinahe überall sind die Leute gemeinsam einsam. Die Münchner wollen nunmal raus. Lagerkoller. Aber selbst die, die Mundschutzmasken tragen, drängen sich streifend an einem vorbei. Um noch die letzte Packung Nudeln oder Klorollen zu greifen. Ein falsches Gefühl von Sicherheit lässt sie kühn und zum hortenden Nagetier werden.

 

Auch merkt man jetzt, wie sehr man die Möglichkeit vermisst, in die Wirtschaft, Bar oder ein Restaurant zu gehen. Kino, Theater, selbst Minigolf, alles ist abgeriegelt. Dabei geht es nicht immer darum, diese Dinge auch zu tun. Es geht darum sie tun zu können. Der Münchner verliert seine Freiheit. Und das passt ihm gar nicht. An den Flaucher wird man doch wohl noch dürfen. Mit der U3. Oder dem Auto. Kleine Runde Grillen, ein paar Augustiner. Oder Giesinger und dann doch eh wieder Heim. Was soll das schaden?

 

Ja, was soll das schaden. Vielleicht gar nichts. Vielleicht kostet es aber auch einen Menschen das Leben. Einen Menschen, der alleine in Isolation in einem Krankenhaus liegt. Ein Leben, das im schlimmsten Fall innerhalb weniger Tage endet. Wegen einer halb verkohlten Bratwurst und einem lauwarmen Hellen im Freien.

 

Falsche Einstellung. Nicht jetzt. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Ob nach Ostern wie durch ein Wunder die Normalität wieder aufersteht? Wohl kaum. Des ziagt si no. Oba mia ham ja Netflix.